Diary

Posts getaggt mit cultural stuff
sleep is coming

2023, november 28

inside my novel.

‚einschlafen is so komisch‘, meinte ihre freundin. ‚erst tun wir so als ob wir schlafen und dadurch schlafen wir dann wirklich ein.‘ 

da kapierte mia, ah, so machen das andere leute mit dem einschlafen! fake it till you make it. das erinnerte sie daran, wie sie als kind im kinderladen denselben trick benutzt hatte, wenn mittagsschlaf angesagt war. erst augen zu, dann so tun, als ob sie schlafatmete, während ihr kopf noch total wach war. sie fand’s schlimm. irgendwann schlief sie dann wirklich ein, klar, aber der schlaf war wie ’ne zu leichte decke, die nicht beruhigte, sondern eher nervig auf der haut kitzelte. 

sie konnte nicht fassen, dass andere leute immer noch die fake-it-till-you-make-it-einschlafmethode anwandten, obwohl sie längst im erwachsenenalter waren und jetzt alle freiheit der welt hatten. der kern des erwachsenseins für sie war, dass niemand einen zum schlafen zwingt (und dass sie sich so viele scheiben salami aufs brot packen konnte wie sie wollte). 

bei mia war das einschlafen ganz anders. sie ließ den schlaf zu sich kommen, während sie mit anderen dingen beschäftigt war: lesen, glotzen, scrollen, schreiben, tetris spielen, chips essen. oh, wie erfüllend es sich anfühlte, wenn der schlaf sie überwältigte. wenn sie spürte, wie der schlaf in ihren körper trat. wenn sie das dumpfe, entfernte herunterplumpsen ihres buches hörte, weil der schlaf ihre hände übernahm, ihre muskeln schwächte, ihren griff lockerte. wenn sie fühlte, wie der schlaf ihren kopf vernebelte, während sie versuchte, sich an die worte zu klammern, die sie gerade gelesen hatte. der schlaf zog allen worten die logik raus, spuckte sie raus in die echte welt, um sie da draußen zu lassen. ohne den ballast der logik traten die worte in ihre träume rein, ihr kiefer lockerte sich, ihr zeh zuckte und ein schüchterner fuchs mit regenbogenfell reichte ihr sonnenreife avocados.

neulich hatte mia gelernt, dass man im koreanischen statt ‚ich bin müde‘ auch sagen kann ‚schlaf kommt‘ und genauso fühlt es sich an. 잠 와.

beings, becomings & once-beens

2023, october 18

mit t. und k. reden wir ja oft darüber, dass die gesellschaft kinder in der regel nicht als beings, sondern als becomings ansieht. wenn einem kind etwas schreckliches angetan wird, geht der fokus nicht auf das jetzige being, sondern auf das erwachsene wesen, das das kind einmal werden wird — mit fragen wie: wird er später einmal als geschädigter mensch durchs leben laufen? oder wird das schreckliche ihn zu einem stärkeren, resilienteren mann machen? das sind typische fragen, die den blick auf kinder als becomings richten, nicht als beings. das war vor ein paar jahren einer der großen mindblows für mich in den gesprächen mit t. und k. über kindheitsbilder und so. zu diesem mindblow ein anderes mal mehr. und auch ein anderes mal mehr zu dem mindblowing shift, der entsteht, wenn wir anfangen, kinder stattdessen von anfang an als beings zu betrachten. oder als beings und becomings gleichzeitig — so wie wir auch uns selbst als beides zugleich sehen können.

jetzt gerade will ich einen anderen gedanken festhalten. ich habe gerade liane moriarty‘s nine perfect strangers gelesen und da ist mir aufgefallen, dass figuren ab dem „middle-aged“ alter extrem mit dem beschäftigt sind, was sie einmal gewesen sind. dieses gewesen-sein ist non-stop thema in ihrem inneren, aber auch in dem, wie sie von außen gesehen werden. nach becoming und being kommt also once-been. (ich würde es gerne has-been nennen, aber geht nicht, weil has-been ja eh schon ein stehender begriff ist für leute, die einst erfolgreich und glamourös waren und jetzt verstaubt und aufgedunsen sind) jedenfalls kommt es mir so vor, als ob upper-middle-aged leute sowohl in moriartys roman als auch in real life so gezeichnet werden, als ob ihre ur-eigentliche persona vom alter verdeckt wird. als ob ihre kern-erscheinung von schichten der alters-chubbiness und hängender haut vergraben wird. sie definieren sich über das, was sie mal waren und nicht über ihr heutiges sein. so als ob jeder mensch eine eindeutige statue von sich selbst in sich trägt. so als ob sich mitt-fünfzigjährige gegenseitig beäugen und versuchen hinter die alters-layers zu gucken, um die statue zu sehen. wenn sie ihre gegenseitige attraktivität abchecken, gucken sie nicht ins jetzige gesicht, sondern versuchen hinter diesem zu erkennen: war dieser mensch einst attraktiv?

ich hab das gefühl, in gesellschaften, die das alter verehren, ist das anders. auf mamas und meiner bday party wurden ihre siebzig jahre dermaßen abgefeiert. überall hatte ihre koreanische clique sprüche an die wände gehangen: mit siebzig fängt das leben an! im koreanischen blick auf sechzig- und siebzigjährige kommt es mir eher so vor, als ob der mensch mit all diesem leben der sechs, sieben jahrzehnte aufgeladen ist. es ist das reichliche leben, was in der siebzigjährigen steckt und nicht eine verschütt gegangene statue.

chinese in chatswood

2023, september 23, cammeraygal (sydney)

chinese restaurant in chatswood. wir sitzen in halbprivaten esskabinen. die tische haben eingebaute hot pot becken, in unserem brodelt eine extrascharfe brühe. ich tunke beef, tofu und riesen-glasbandnudeln rein. die kellnerin reicht uns rote schürzen und haargummis, damit wir uns weniger einsauen. in jeder ecke feiert irgendjemand geburtstag mit geburtstagsgirlanden und glitzernden luftballons am tisch. ein roboter rollt herum und beliefert die tische mit mehr essen. er bringt uns dumplings und enoki mushrooms. ein anderer roboter fährt eine knallpinke geburtstags-torte herum. zwei kellnerinnen tragen ein riesiges blinkendes board herum und laufen damit von einem geburtstagstisch zum andern. auf dem board blinken in leuchtschrift geburtstagsgrüße und herzen und so weiter. die kellnerinnen schwenken das board hin und her und singen jedem geburtstagstisch ein ständchen. sie haben haarreifen auf mit kleinen öhrchen dran. vielleicht mauseohren oder hasenohren. immerhin ist es ja das jahr des hasen. 

mir kommt es so vor, als ob asian places hier im gegensatz zu berlin oder new york keine hipster foodie places sind, sondern ein eigenes selbstversunkenes paralleluniversum. eine welt, die vielen weißen sydneysiders verborgen zu bleiben scheint. so vergesse ich momentelang, dass ich in sydney bin. und der sichuan pepper macht mir taubes kribbeln im mund und wunderbaren schwindel im kopf.

kiss and ride

2023, july 27, saigon/ho chi minh city

noch auf durchreise. hier am flughafen habe ich schilder gesehen, die heißen „well-wishers gallery“. also schilder für die zonen, in denen sich menschen von ihren liebsten verabschieden, bevor sie ins flugzeug steigen. in den usa hab ich auf parkplätzen ähnliche schilder gesehen, nämlich „kiss and ride“. also parkplätze, wo man nur kurz stehen bleibt, um jemanden abzuholen oder zu verabschieden. ich wünschte mir, dass wir solche schilder auch in deutschland hätten. schilder, die ein bisschen mehr wonderland verbreiten.