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beings, becomings & once-beens

2023, october 18

mit t. und k. reden wir ja oft darüber, dass die gesellschaft kinder in der regel nicht als beings, sondern als becomings ansieht. wenn einem kind etwas schreckliches angetan wird, geht der fokus nicht auf das jetzige being, sondern auf das erwachsene wesen, das das kind einmal werden wird — mit fragen wie: wird er später einmal als geschädigter mensch durchs leben laufen? oder wird das schreckliche ihn zu einem stärkeren, resilienteren mann machen? das sind typische fragen, die den blick auf kinder als becomings richten, nicht als beings. das war vor ein paar jahren einer der großen mindblows für mich in den gesprächen mit t. und k. über kindheitsbilder und so. zu diesem mindblow ein anderes mal mehr. und auch ein anderes mal mehr zu dem mindblowing shift, der entsteht, wenn wir anfangen, kinder stattdessen von anfang an als beings zu betrachten. oder als beings und becomings gleichzeitig — so wie wir auch uns selbst als beides zugleich sehen können.

jetzt gerade will ich einen anderen gedanken festhalten. ich habe gerade liane moriarty‘s nine perfect strangers gelesen und da ist mir aufgefallen, dass figuren ab dem „middle-aged“ alter extrem mit dem beschäftigt sind, was sie einmal gewesen sind. dieses gewesen-sein ist non-stop thema in ihrem inneren, aber auch in dem, wie sie von außen gesehen werden. nach becoming und being kommt also once-been. (ich würde es gerne has-been nennen, aber geht nicht, weil has-been ja eh schon ein stehender begriff ist für leute, die einst erfolgreich und glamourös waren und jetzt verstaubt und aufgedunsen sind) jedenfalls kommt es mir so vor, als ob upper-middle-aged leute sowohl in moriartys roman als auch in real life so gezeichnet werden, als ob ihre ur-eigentliche persona vom alter verdeckt wird. als ob ihre kern-erscheinung von schichten der alters-chubbiness und hängender haut vergraben wird. sie definieren sich über das, was sie mal waren und nicht über ihr heutiges sein. so als ob jeder mensch eine eindeutige statue von sich selbst in sich trägt. so als ob sich mitt-fünfzigjährige gegenseitig beäugen und versuchen hinter die alters-layers zu gucken, um die statue zu sehen. wenn sie ihre gegenseitige attraktivität abchecken, gucken sie nicht ins jetzige gesicht, sondern versuchen hinter diesem zu erkennen: war dieser mensch einst attraktiv?

ich hab das gefühl, in gesellschaften, die das alter verehren, ist das anders. auf mamas und meiner bday party wurden ihre siebzig jahre dermaßen abgefeiert. überall hatte ihre koreanische clique sprüche an die wände gehangen: mit siebzig fängt das leben an! im koreanischen blick auf sechzig- und siebzigjährige kommt es mir eher so vor, als ob der mensch mit all diesem leben der sechs, sieben jahrzehnte aufgeladen ist. es ist das reichliche leben, was in der siebzigjährigen steckt und nicht eine verschütt gegangene statue.