Diary

waiting for the hiccup

2023, august 28, cammeraygal (sydney)

die deutsche alltagskommunikation kommt mir oft so gefangen vor in einer ewigen spirale aus vorwurf und voreilender verteidigung. ich bin so sehr an diese schulddurchtränkte sprache gewöhnt, dass ich oft ganz perplex bin, wenn ich in freundlicheren gefilden der welt unterwegs bin. hier in oz überrascht es mich dann immer wieder, wenn ich einfach kein anmeckern vom house manager, busfahrer oder sprechstundenhilfe bekomme. worauf warten die denn?! ich stehe dann da, bereit angeschnauzt zu werden, aber es kommt einfach nicht. so wie wenn man schluckauf hat und er plötzlich aufhört, aber man wartet trotzdem noch auf den nächsten schluckauf.

taejongdae in busan

2023, august 11

message to a friend.

taejongdae is ein park direkt am meer. mama ist da aufgewachsen und es ist ihr lieblingsort. da kann man spazierengehen und wenn man den geheimtipp kennt, geht man irgendwann so steile stufen runter. immer weiter runter immer weiter runter, bis man an so klippen direkt am wasser kommt. da sind lauter alte, toughe, krasse koreanische ladies, die super frischen fisch verkaufen. also sie haben lauter mit wasser gefüllte plastikschüsseln, in denen lauter fische schwimmen. davon sucht man sich ein paar aus und dann verwandeln sie den blitzschnell und skrupellos von lebendigem zustand in verzehrbaren zustand. dann kann man da koreanischen schnaps und bier kaufen und überall liegen so große platten auf den klippen, auf die man sich mit all den leckereien hinsetzen kann. auf meinem profilbild siehst du, wie ich ein tablett mit ganz frischem rohen fisch trage, dazu chillies, knobi, soajasoße und wasabi und das wickelt man dann alles lecker in salatblätter und steckt es sich in den mund, während die wellen direkt neben einem gegen die klippen schlagen und man kann in der ferne ganz blass japan sehen und das meer is türkis und atemberaubend und die wellen sind wild und rauh und weiß. und es ist einer der schönsten orte der welt und ich explodiere jedes mal vor lauter glück, wenn ich da sitze und fisch esse und bier und schnaps trinke und aufs meer gucke

sydney flavours

2023, august 7, cammeraygal (sydney)

sydney: knallhellblauer unendlicher himmel, meerestürkis und harbourtürkis, tausend shades of green in wendy whitely‘s secret garden, gigantische, märchenhafte bäume an jeder straßenecke und schlaraffenlandfarbene vögel. meeresrauschen, highway rauschen, koreanisches geplapper, vögel die wie lachende affen klingen, schreiende kakadus und überall wellengeplätscher und poolgeplansche und im sommer lilane bäume und zitronenbaumgeruch. es riecht nach sauberen straßen und gezähmten menschen und asialäden. meeressalziges poolwasser auf meinen lippen. und spicy korean chicken. die sonne weckt mich jeden morgen auf und taucht das gesamte schlafzimmer in unglaubliches orangenes licht.

kiss and ride

2023, july 27, saigon/ho chi minh city

noch auf durchreise. hier am flughafen habe ich schilder gesehen, die heißen „well-wishers gallery“. also schilder für die zonen, in denen sich menschen von ihren liebsten verabschieden, bevor sie ins flugzeug steigen. in den usa hab ich auf parkplätzen ähnliche schilder gesehen, nämlich „kiss and ride“. also parkplätze, wo man nur kurz stehen bleibt, um jemanden abzuholen oder zu verabschieden. ich wünschte mir, dass wir solche schilder auch in deutschland hätten. schilder, die ein bisschen mehr wonderland verbreiten. 

layover in saigon

2023, july, 27, saigon/ho chi minh city

die luft hier cremt mich ein wie lotion. auf dem markt denken alle, ich bin vietnamesisch. sie fragen: „you vietnam?“ sie sagen, ich sehe aus, wie eine von ihnen. manche sprechen mich sogar direkt auf vietnamesisch an und sind überrascht, dass ich nichts verstehe. an einem marktstand mit lauter buddhafiguren und mobiles sagt mir die verkäuferin, das einzige, was sie auf deutsch kann, ist „langsam, langsam!“. das ist lustig, weil u. mir gestern erzählt hat, dass „langsam, langsam“ die ersten worte waren, die sie auf indonesisch gelernt hat, als sie auf bali gelebt hat. damit sie das zum moped-taxi-fahrer sagen konnte, wenn sie hinten drauf saß. nach dem markt fahre ich in eine andere ecke der stadt, die mir als palmen-grün und urlaubsmäßig mit „bali vibes“ beschrieben wurde. im taxi gucke ich aus dem fenster. am straßenrand verkauft ein mann goldfische. sein motorrad ist voll beladen mit durchsichtigen wassergefüllten tüten, in denen die goldfische schwimmen. ich weiß eigentlich nicht, ob es goldfische sind, aber jedenfalls sehen sie von weitem aus wie typische fische, die man aus einem goldfischglas kennt. unter einer brücke hat sich jemand mit matratze und bunten decken eingerichtet. über seinem gemach hat er ein gelbes poster an der brückensäule geklebt. darauf steht „you can‘t copyright vibe“.

huge pool windows

2023, june 27, berlin

frühmorgens trete ich in die schwimmhalle und die sonne leuchtet so krass durch die fenster von allen seiten rein, dass es so hell ist wie im freibad und so heilige stimmung wie in einer kirche. mittags laufe ich an seerosen vorbei, in der zwischenregensonne. später, im home cinema, füllt mir k. pistazien in eine kokosschale. abends laufen wir an einem regendurchnässten plakatehaufen vorbei, ein matschepampenhaufen und k. fragt mich, ob ich darin jetzt auch kunst sehe. als wir abends nach hause kommen, setzen sich m. und t. vor die dunkelblaue wand und snacken chips, die vor dem dunkelblau fast leuchtend zur geltung kommen.

home arrival

2023, june 8, berlin

als ich in berlin ankam, steckten mir sechsunddreißig stunden flug und zugfahrt in den knochen, und jede menge wein. die luft war brutheiß und es fühlte sich an, als würden meine fettigen klamotten und haare in der sonne schmelzen. als ich in meine wohnung kam, flutete mich der altbau-vibe komplett. die hohen decken, die sonnenwarmen holzböden und meine roséfarbenen wände - der ganze feel davon trat überall in mich ein, bis in meine zehen und meine zungenspitze. es fühlte sich an, als ob jede meiner bewegungen damit aufgeladen war, jede mikrosekunde des kaffeekochens hatte das gefühl von holzböden und hohen decken und der sonne, die die räume flutete. hier kaffee zu machen, fühlt sich so anders an als in sydney oder atlanta. es fühlt sich an, als ob alle altstadthäuser europas und mozarts klavierstücke in dem kaffeeschaum leben, der entsteht, wenn ich die french press herunterdrücke.

auf meinem spaziergang zum welcome-dinner, da kam mir jede einzelne person vor wie ein kunstwerk. das hatte ich vorher noch nie so gesehen. früher war es so, wenn ich aus korea zurückkam, dass mir die leute in berlin irgendwie plötzlich tollpatschiger, grobgesichtiger und vernachlässigt erschienen, insbesondere myself. und als ich einmal aus toronto zurückkam, sahen die berliner*innen für mich irgendwie bedrückt und graugelaunt aus. als ich einmal aus atlanta zurückkam, da kam mir die berliner menschen-landschaft plötzlich so zahm, provinziell und krass weiß vor. aber jetzt, bei meiner rückkehr aus sydney, wirken hier alle unfassbar charismatisch. der ganze straßendreck, die gesamte erschöpfung in den gesichtern der leute, alles sieht aus wie kunst. der landwehrkanal wird zu einem avantgardistischen street-fashion-catwalk. alle wirken so nebenbei-hot und unglaublich cinegen. in ihren augenwinkeln und nasenlöchern verstecken sich leckere und scharfe gedanken, ganz ohne dass sie es selbst bemerken. die leute wirken, als wüssten sie nicht, dass sie eigentlich heimlich berühmte stars sind. ich will ihnen die ganze zeit zurufen: checkt ihr eigentlich, wie krass charismatisch ihr ausseht? alle menschen hier scheinen mir die stars einer cinematischen performance, genannt der kreuzberger kanal. oder katti‘s seven weeks of berlin summer.

train to berlin

2023, june 8, frankfurt-berlin

im zug. eine frau im schlabberlook seufzt laut beim hinsetzen. es macht mich glücklich, wenn leute seufzen, wenn sie sich in den sitz fallen lassen. es klingt immer nach einem richtig guten feierabend mit befriedigender erschöpfung in den knochen. eine bockige frau in jeansjacke macht ein nickerchen und es sieht aus als ob sie ihre laune wegnickert. ihre dunkellila sonnenbrille gibt ihrem bockigen gesicht glamour, als ob sie ein star wär, der sich vor tageslicht und menschen schützt. eine andere frau knabbert seit zwei stunden an ihrer brezel; indem sie sie in kleinen häppchen isst, verwandelt sie einen mini-snack in eine richtig lange mahlzeit. zwei frauen tuscheln in der ecke, sie gestehen sich gegenseitig ihre frische liebe für chat gpt, sie senken ihre stimmen so, als ob sie erwarten geshamed zu werden, wie beim flug-shaming.

imagining ocean swimming

2023, may 12, cammeraygal (sydney)

wenn a. übers ocean swimming spricht, habe ich das gefühl, dass ich unweigerlich alles davon auf meiner haut spüre, die kalten nadelstiche, die brennenden muskeln, das krasse salz und diesen unglaublichen awe-striking moment, etwas krasses geschafft zu haben. ich kann den after-swim moment fühlen, in dem die haut allein dadurch wärmer wird, dass sie gerade eiskalt war. die eiseskälte spornt die selbsterhitzung der haut an. die wärme schießt so richtig in die gänsehaut rein und bringt jeden kleinen gänsehautbubbel zum glühen

berowra waters hike

2023, february 19, cammeraygal (sydney)

morgens liege ich im bett und schreibe und durch das fenster knallt es blau rein und der kaffee kriecht heiß in die hintersten ecken meines gaumens. später hocke ich mich am hiking trail hin, breite mein pinkes tunis-tuch aus und mach mir ein quickie-picknick drauf. ich beiße in mein körnerexplosionsbrot, ich sehe die haselnuss im brot, wie sie glatt abgeschnitten ist und professionell aussieht und sich gut einfügt ins körnergeschehen und so richtig spiegelglatt ist da, wo das messer sie halbiert hat. später renne ich in eine höhle mit lauter sandfarbenen linien und streichle sie mit meinen augen und ich trete in die kletterhaken am felsen und z. reicht mir seine hand und zieht mich hoch und ich fühle mich pink und knallblau, weil mein bikini und der himmel mir in die augen leuchten. abends liege ich mit glücklich zerschundenen füßen im bett, den hiking tag in all meinen gliedern, ein lecker fett durchtränkter pizzakarton auf mir drauf, mit einer jalapeno-salami pizza drin, mein bauch ist völlerei-ready. z. macht stretchübungen und auf netflix läuft ne doku über indian americans, die die meister der spelling bees sind.

Katti Jisukmicro-moments