Diary

i don‘t want to grow

2024, april 24

i find the personal growth metaphor a bit outrageous, tbh, especially as a tiny-sized human in a world full of height privilege and an obsession with upscaling in general. we always talk about wanting to grow, which suggests that bigger and more is the desirable thing. it’s about time we celebrate some smallness. who says we shouldn’t want to be smaller? let’s flip the script. instead of saying i want to grow, let’s say i want to shrink, or instead of saying, i’m here for personal growth, say i’m here for personal shrinking. haha maybe that’s why therapists are called shrinks.

ps: my friends and i now find ourselves in the habit of neither saying growing nor shrinking, but densifying. as in, i’ve learned so much from my deep shit point last year. i’ve densified big time. i like densifying because it makes me picture cotton candy and the moment when i take it into my palm to squeeze it into my fist and make it small like a snowball.

Katti Jisuk
predictability addiction in "love is blind"

2024, april 4

unintendierter weise kristallisiert die reality-show "love is blind" toxische narrative der romantischen liebe heraus, die auch auf weitere gesellschaftliche normen hindeuten. neben den offensichtlichen gender klischees springt mir da besonders die predictability addiction ins auge, die die show unfreiwilliger weise hochstilisiert. ich finde es bizarr, wie die show es zelebriert, den beginn einer romantischen connection im schnelldurchlauf zu absolvieren. damit reproduziert die show die art von lebensfeindlicher urgency, die die magischsten teile des lebens überspringt, um möglichst schnell eine art gewissheit zu erlangen, die ohnehin unmöglich ist. wieso sollte ich gerade die zauberhaftte anfangszeit einer liebe überspringen wollen?! die zeit, in der man vor glücksexplosion nicht weiß, wohin mit sich und jeder tag sich anfühlt, als ob man sonnenstrahlen gefrühstückt hätte. diese abhängigkeit von falscher vorhersehbarkeit ist dermaßen erfahrungsfeindlich. wenn wir in der falle dieser predictability addiction stecken, verpassen wir den moment, wenn der himmel zuckerwattefarben wird und es plötzlich anfängt, macarons zu regnen.

Katti Jisuk
the letter L

2024, february 29

der buchstabe ‘L’ ist mein lieblingsbuchstabe und bietet mir eine gemütliche ecke, einen rückhalt, ein gehaltensein und gleichzeitig totale luftigkeit, spaciousness, offenheit, ein fliegenlassen in die welt und er ist total hell und luftig und ganz hellgelb wie die joghurtfarbe der gelben fruchtzwerge und ich mag jedes wort, das mit ‘L’ beginnt und ich mag den sound von ‘L’ und das ‘L’ involves the tongue in a good way und ‘L’ ist lebensbejahend.

Katti Jisuk
mia‘s hot new year morning

2024, january 8

inside my novel

mia sitzt in sydney in der hitze des neuen jahres, und ihre sternenlichter tanzen an der decke, werfen wasserähnliche reflexionen, und draußen rastet der dschungelgarten vor lauter grünhaut aus. ihre katze breitet sich auf ihrem schoß aus, bringt ihre tastatur zum wackeln. durchs fenster sieht mia, wie die menschen durch die morgenhitze waten, und die intensive australische sonne blitzt in ihr wohnzimmer, wenn die autos vorbeifahren und das sonnenlicht in schnellen flashes durch ihre fenster wirft. es ist erst sieben uhr morgens, und sie nippt heißen kaffee aus ihrer winzigen tasse aus saigon. die freshness ihrer vorherigen dusche prickelt noch auf ihrer haut, und ihr pyjama ist frisch und neu. sie trägt ihr black history shirt mit der aboriginal-flagge. auf ihrem screen schlägt eine zoom-verbindung brücken zu ihrer freundin in berlin, und ihre freundin ist eingehüllt in die winterliche gemütlichkeit ihres berliner zimmers. draußen ist es dunkel und verschneit, und die berliner winterkälte gibt ihr eine abkühlung, als ob die kälte durch den bildschirm strahlt und ihr eine kleine atempause vom australischen sommer gibt. ihre gedanken fließen schnell. während sie tippt, sieht sie ihr spiegelbild im dunklen fernsehbildschirm und sieht dort, wie ihre hände ganz flink über die tasten fliegen. sie fühlt noch die reste ihrer neulichen krankheit in ihrem körper wohnen, und unter dem layer der geduschten freshness spürt sie noch die lethargie der vergangenen tage. während sie tippt, schwitzt sie die letzten reste ihrer krankheit aus, und ihr geist raucht in dreamscapes ein. ihr sydney montagmorgen verbindet sich mit dem berliner sonntagabend ihrer freundin.

mia‘s time of transition

2023, december 11

inside my novel.

in dieser transitzeit ist mia jeden morgen ohne wecker aufgewacht und hat als erstes minutenlang oder stundenlang im ozeanfarbenen bett gelesen, manchmal war es fünf uhr morgens, manchmal war es zwölf uhr mittags. dann ist sie aufgestanden in ihrem negligé und hat sich ihr omelette mit cottage cheese, zwiebeln und hottem chili öl gemacht. dieses omelette hat sie sich in kleine tortenstückchen geschnitten und es dann über ihren tag verteilt gegessen in den pausen ihrer admin-ackerei. dazu hat sie sich avocado in würfelchen geschnitten. wenn sie vom lauter admin-ackern schmerzende schultern gekriegt hat, hat sie ein kleines schulterworkout eingelegt, bis ihre schultern befriedigend brannten. frühabends dann, wenn mia nicht mehr konnte und alle admin-energie aus sich rausgeackert hatte und sich die australische frühlingssonne gesenkt hatte, ist sie dann rausgegangen zum flanieren in kirribilli und in wendy whiteley’s secret garden. dabei hat sie schreib-snippets ins phone gesprochen und ist die treppenstufen in wendy whiteley’s secret garden auf- und ab-gelaufen bis sie ins schwitzen und schnaufen kam. wenn sie dann nach der dämmerung nach hause gekommen ist, hat sie sich was scharfes gekocht und sich mit einem rotwein aufs sofa fallen lassen und australische serien über slut shaming geguckt. ihre katze hat sich auf ihren beinen ausgebreitet und ihr schnurren hat in die nacht hineinvibriert.

confidently clumsy coconut tree

2023, december 5, cammeraygal (sydney)

ich laufe durch die morgenhitze zum arzt. später lege ich mich ins ozeanfarbene bett und ziehe eine schlafmaske auf, das fühlt sich wellness an. nachmittags gehe ich zwischen riesigen palmen am kleinen hafen flanieren. eine palme ist ganz klein und hat keinen schlanken stamm wie die andern, sondern ist vollkommen in eine art blätterfell eingekleidet, sie sieht aus, als ob sie einen wintermantel an hat. gedrungen und eingemummelt ist sie, clumsy but confident. die sonne cremt meine haut ein. abends lasse ich mich in den sessel in meinem coachingatelier fallen und mein tunis towel leuchtet pink neben mir. zu feierabend um mitternacht schleiche ich mich ins treppenhaus und lege den neighbors nikolaus-schoki vor die tür. danach lese ich im dunkeln und grusel mich und esse pasta und trinke rotwein und mein coachingmarathon sitzt mir befriedigend in den knochen.

Katti Jisukmicro-moments
mia‘s paradoxical relief

2023, december 3

inside my novel

nach einem ganzen tag voller binge-worrying, schaltete mias geist plötzlich auf tiefenentspannung um. es war wie ein paradoxes surrendern: je mehr sie sich sorgen machte, desto mehr ließ ihr geist am ende los. das erinnerte sie an ihre erfahrung mit ihrem angespannten schultermuskel — gegen jede intuition brachte nicht das entspannen, sondern noch mehr gezielte anspannung den muskel dazu, sich zu lockern. durch schulter-workout pushte sie den muskel so ans limit, dass er gar keine andere wahl mehr hatte als zu surrendern. mehr anspannung führte zur ultimativen entspannung. genauso jetzt mit ihrem geist: mia hatte sich mit jeder zelle ihres körpers ins sorgenmachen gestürzt, so als ob sie am ende die sorgen aus ihrem system heraus-gesorgt hätte. overthinking burns itself out. damit hatte sie ihre anxiety vollends erschöpft, und jetzt blieb ihr geist in friedvoller ruhe zurück. 

flickering fleeting flame

2023, november 30, cammeraygal (sydney)

ein schatten von einer kokospalme flackert an der tür, umgeben von sanftem weiß-gelben licht, und verschwindet dann schnell wieder. ich frage mich, warum diese subtil spektakulären lichtspiele so flüchtig sind. dann merke ich, dass es die autos draußen sind, die diese blendend hellen reflexionen werfen. mein zuhause, umgeben von palmen, jacarandas und paperbarks, fängt diese momente für eine mikro-sekunde ein.

die flüchtigkeit erinnert mich an den kleinen leuchtend roten flame angelfish in hawaii. unser divemaster meinte, dass der moment, in dem unser auge diesen fisch einfängt, er auch schon wieder verschwinden wird. er meinte, wir sollten den seltenen anblick einfach für eine sekunde genießen, anstatt ihn unseren co-divers zu zeigen, weil wir sonst selbst den moment verpassen könnten.

die extreme flüchtigkeit des flame angelfish und des flackernden palmen-schattens zwingen mich, die mikro-sekunde einzusaugen, statt zu versuchen, sie festzuhalten, zu teilen oder zu verlängern.

Katti Jisukmicro-moments
sleep is coming

2023, november 28

inside my novel.

‚einschlafen is so komisch‘, meinte ihre freundin. ‚erst tun wir so als ob wir schlafen und dadurch schlafen wir dann wirklich ein.‘ 

da kapierte mia, ah, so machen das andere leute mit dem einschlafen! fake it till you make it. das erinnerte sie daran, wie sie als kind im kinderladen denselben trick benutzt hatte, wenn mittagsschlaf angesagt war. erst augen zu, dann so tun, als ob sie schlafatmete, während ihr kopf noch total wach war. sie fand’s schlimm. irgendwann schlief sie dann wirklich ein, klar, aber der schlaf war wie ’ne zu leichte decke, die nicht beruhigte, sondern eher nervig auf der haut kitzelte. 

sie konnte nicht fassen, dass andere leute immer noch die fake-it-till-you-make-it-einschlafmethode anwandten, obwohl sie längst im erwachsenenalter waren und jetzt alle freiheit der welt hatten. der kern des erwachsenseins für sie war, dass niemand einen zum schlafen zwingt (und dass sie sich so viele scheiben salami aufs brot packen konnte wie sie wollte). 

bei mia war das einschlafen ganz anders. sie ließ den schlaf zu sich kommen, während sie mit anderen dingen beschäftigt war: lesen, glotzen, scrollen, schreiben, tetris spielen, chips essen. oh, wie erfüllend es sich anfühlte, wenn der schlaf sie überwältigte. wenn sie spürte, wie der schlaf in ihren körper trat. wenn sie das dumpfe, entfernte herunterplumpsen ihres buches hörte, weil der schlaf ihre hände übernahm, ihre muskeln schwächte, ihren griff lockerte. wenn sie fühlte, wie der schlaf ihren kopf vernebelte, während sie versuchte, sich an die worte zu klammern, die sie gerade gelesen hatte. der schlaf zog allen worten die logik raus, spuckte sie raus in die echte welt, um sie da draußen zu lassen. ohne den ballast der logik traten die worte in ihre träume rein, ihr kiefer lockerte sich, ihr zeh zuckte und ein schüchterner fuchs mit regenbogenfell reichte ihr sonnenreife avocados.

neulich hatte mia gelernt, dass man im koreanischen statt ‚ich bin müde‘ auch sagen kann ‚schlaf kommt‘ und genauso fühlt es sich an. 잠 와.

ōlelo hawaiʻi

2023, november 19, honolulu

hawaiianische sprache klingt so lecker, weil sie nach bubbles schmeckt. als kind wollte ich am liebsten nur die löcher im käse essen oder nur die löcher in der luftschokolade. so schmeckt der klang von ōlelo hawaiʻi. luftig, bubbly, als ob ich endlich nur die leckeren löcher essen darf.

non-urgency in friend dates

2023, november 5

non-urgency heißt, ganz in diesen moment hineinzusinken, statt sich in einem parallelen universum des hätte-sollens aufzuhalten. non-urgency bedeutet, mit einer freundin am hafen zu flanieren, ohne darüber zu reden, dass man schon viel früher hätte miteinander flanieren sollen, und dass man es ab sofort schaffen müsse, viel öfter miteinander zu flanieren. dieses ständige verlangen, dass ein wunsch hätte früher und öfter erfüllt werden sollen, lässt einen den eigentlichen moment verpassen, in dem der wunsch tatsächlich erfüllt wird. also den jetzigen moment. non-urgency bedeutet dagegen, in diesem gegenwärtigen space mit dem hafen und dem wasserglitzern zu sein, anstatt in einem parallelraum aus verpassten chancen und nicht gelebten verabredungen stecken zu bleiben.

interessanterweise leben all meine über sechzigjährigen friends genau diese art von non-urgency. mit ihnen fühlt es sich so an, als ob die gegenwart keinem pfeil folgt, sondern einfach vor sich hin plätschert. mit ihnen ist es leicht, in die einzigartigkeit eines augenblicks einzusinken, anstatt den moment sofort in die vergangenheit und zukunft hineinmultiplizieren zu wollen und dadurch den moment selbst zu verpassen. non-urgency heißt, den jetzigen moment nicht als sprungbrett zu einem anderen zu nehmen. sondern den augenblick sich selbst sein zu lassen, frei vom druck des hätte-sollens.

Katti Jisuknon-urgency
heartbreak loosens the face

2023, november 3

inside my novel.

neulich war mia aufgefallen, dass sie menschen am schönsten findet, wenn sie verkatert oder liebeskummrig sind. weil ihre körper jedes zusammgehaltsein verlieren. die gesichtszüge der verkaterten und liebeskummrigen wirken, als ob sie leicht dahinschmelzen. nicht wie in einem horrorfilm dahinschmelzen, sondern eher so wie bei einem teelicht. nachdem die flamme ausgepustet wurde und das wachs nach ein paar minuten nicht mehr flüssig, aber auch noch nicht hart ist. diese art von weichheit, die das teelichtwachs dann hat. diese weichheit haben menschen im gesicht, wenn sie jegliche haltung aufgeben, weil sie einen kater haben oder liebeskummer. so würde mias gesicht auch bald aussehen. diese kleinen muskeln neben ihren augen, die werden völlig entspannt sein. als ob die muskeln einfach aufgegeben hätten.

beings, becomings & once-beens

2023, october 18

mit t. und k. reden wir ja oft darüber, dass die gesellschaft kinder in der regel nicht als beings, sondern als becomings ansieht. wenn einem kind etwas schreckliches angetan wird, geht der fokus nicht auf das jetzige being, sondern auf das erwachsene wesen, das das kind einmal werden wird — mit fragen wie: wird er später einmal als geschädigter mensch durchs leben laufen? oder wird das schreckliche ihn zu einem stärkeren, resilienteren mann machen? das sind typische fragen, die den blick auf kinder als becomings richten, nicht als beings. das war vor ein paar jahren einer der großen mindblows für mich in den gesprächen mit t. und k. über kindheitsbilder und so. zu diesem mindblow ein anderes mal mehr. und auch ein anderes mal mehr zu dem mindblowing shift, der entsteht, wenn wir anfangen, kinder stattdessen von anfang an als beings zu betrachten. oder als beings und becomings gleichzeitig — so wie wir auch uns selbst als beides zugleich sehen können.

jetzt gerade will ich einen anderen gedanken festhalten. ich habe gerade liane moriarty‘s nine perfect strangers gelesen und da ist mir aufgefallen, dass figuren ab dem „middle-aged“ alter extrem mit dem beschäftigt sind, was sie einmal gewesen sind. dieses gewesen-sein ist non-stop thema in ihrem inneren, aber auch in dem, wie sie von außen gesehen werden. nach becoming und being kommt also once-been. (ich würde es gerne has-been nennen, aber geht nicht, weil has-been ja eh schon ein stehender begriff ist für leute, die einst erfolgreich und glamourös waren und jetzt verstaubt und aufgedunsen sind) jedenfalls kommt es mir so vor, als ob upper-middle-aged leute sowohl in moriartys roman als auch in real life so gezeichnet werden, als ob ihre ur-eigentliche persona vom alter verdeckt wird. als ob ihre kern-erscheinung von schichten der alters-chubbiness und hängender haut vergraben wird. sie definieren sich über das, was sie mal waren und nicht über ihr heutiges sein. so als ob jeder mensch eine eindeutige statue von sich selbst in sich trägt. so als ob sich mitt-fünfzigjährige gegenseitig beäugen und versuchen hinter die alters-layers zu gucken, um die statue zu sehen. wenn sie ihre gegenseitige attraktivität abchecken, gucken sie nicht ins jetzige gesicht, sondern versuchen hinter diesem zu erkennen: war dieser mensch einst attraktiv?

ich hab das gefühl, in gesellschaften, die das alter verehren, ist das anders. auf mamas und meiner bday party wurden ihre siebzig jahre dermaßen abgefeiert. überall hatte ihre koreanische clique sprüche an die wände gehangen: mit siebzig fängt das leben an! im koreanischen blick auf sechzig- und siebzigjährige kommt es mir eher so vor, als ob der mensch mit all diesem leben der sechs, sieben jahrzehnte aufgeladen ist. es ist das reichliche leben, was in der siebzigjährigen steckt und nicht eine verschütt gegangene statue.

mia‘s mess

2023, october 10

inside my novel.

[mia] immer wenn die unordnung ihre wohnung flutete, fing mia wieder an zu malen. nicht, weil sie das chaos inspirierte, im gegenteil. sondern weil sie durch das malen diese überbordende messiness rechtfertigte. wenn sie in dem ganzen clutter die unordnung einer vierzigjährigen frau sah, fühlte sie sich lebensuntüchtig. wenn sie darin aber das chaos einer künstlerin sah, fühlte sie ihr genie untermauert.

chinese in chatswood

2023, september 23, cammeraygal (sydney)

chinese restaurant in chatswood. wir sitzen in halbprivaten esskabinen. die tische haben eingebaute hot pot becken, in unserem brodelt eine extrascharfe brühe. ich tunke beef, tofu und riesen-glasbandnudeln rein. die kellnerin reicht uns rote schürzen und haargummis, damit wir uns weniger einsauen. in jeder ecke feiert irgendjemand geburtstag mit geburtstagsgirlanden und glitzernden luftballons am tisch. ein roboter rollt herum und beliefert die tische mit mehr essen. er bringt uns dumplings und enoki mushrooms. ein anderer roboter fährt eine knallpinke geburtstags-torte herum. zwei kellnerinnen tragen ein riesiges blinkendes board herum und laufen damit von einem geburtstagstisch zum andern. auf dem board blinken in leuchtschrift geburtstagsgrüße und herzen und so weiter. die kellnerinnen schwenken das board hin und her und singen jedem geburtstagstisch ein ständchen. sie haben haarreifen auf mit kleinen öhrchen dran. vielleicht mauseohren oder hasenohren. immerhin ist es ja das jahr des hasen. 

mir kommt es so vor, als ob asian places hier im gegensatz zu berlin oder new york keine hipster foodie places sind, sondern ein eigenes selbstversunkenes paralleluniversum. eine welt, die vielen weißen sydneysiders verborgen zu bleiben scheint. so vergesse ich momentelang, dass ich in sydney bin. und der sichuan pepper macht mir taubes kribbeln im mund und wunderbaren schwindel im kopf.

single dots

2023, september 21

message to a friend.

du hast mich gefragt, warum u. nicht so eine nachtragende person ist. wie sie es schafft, streits und verletzungen gehen zu lassen. ich glaube der unterschied zwischen u. und nachtragenden menschen ist, dass sie die streits oder verletzungen als einzelne punkte sieht und keinen faden von punkt zu punkt spannt. sie kann den schmerz von dem einzelnen punkt immer noch spüren und nachvollziehen, aber sie zieht eben keine linie von dem punkt zum nächsten und zur gegenwart.

walk for yes

2023, september 17, gadigal (sydney)

der tag glüht. das hier soll eigentlich erst frühling sein, aber die luft brennt ohne ende. wir laufen vom redfern park zum victoria park und der asphalt unter uns knallt uns eine erbarmungslose hitze entgegen. die straßen sind voll mit bannern und yes-schildern. vor mir läuft eine frau mit einem weißen sonnenschirm, der mit lauter handgeschriebenen schildern behangen ist, auf denen steht: „bei mir gibt‘s sonnencreme. bei mir gibt‘s masken“, eine kleine oase der fürsorge. wir laufen immer weiter und alle paar meter rauchen freiwillige in neonwesten auf, die kleine sprühflaschen hochhalten, damit du dir wasser ins gesicht sprühen lassen kannst, wenn du willst. ein kleiner refresher in dieser glühenden hitze. als wir im victoria park ankommen, weisen uns ein paar guides den weg zu einer wasserbar. da wird wasser in kleinen bechern verteilt, wie tequila-shots auf einer party. collective heat management at its best. alle zahnräder greifen ineinander.

Katti Jisukmicro-moments
shanty in redfern

2023, september 11, gadigal (sydney)

shanty bar night in redfern. requisiten an der decke, ein rosa telefon, ein winziger kickertisch, eine art retro spielzeugauto, eine aboriginal flagge. die luft rot vom gedimmten barlicht, die menge ein tiefer, tiefer a-cappella-chor, singt und brummt. es riecht nach vorpandemie, nach fröhlich unschuldigen aerosolen. frisches, kühles bier in meinem mund, außer rand und band energy heiß in meinen schultern. später schickt mir m. eine sms: du sahst glücklich aus wie ein kind.

ken gets asked what time it is

2023, september 9

gedanke zum barbie film

als ken zum ersten mal in die menschenwelt tritt, fragt ihn laut jemand ihn (laut meiner erinnerung) nach der uhrzeit. er kann nicht fassen, dass er respektiert wird. nach der uhrzeit gefragt zu werden und dabei mit „sir“ angesprochen zu werden, fühlt sich für ihn unglaublich respektvoll an. das hat mich daran erinnert, als mich einmal im prinzenbad eine ältere, weiße oma angesprochen hat, ob ich ihr den badeanzug entkrumpeln kann. ihr badeanzugträger war hinten total verkrumpelt. ich war überrascht. ich hab gemerkt, dass ich es überhaupt nicht gewohnt bin, dass weiße omas in deutschland mich um solche dinge bitten. von weißen deutschen omis bin ich eher berührungsängste gegenüber ‚ausländisch aussehenden‘ leuten gewohnt. entweder aus richtiger feindseligkeit (wie die oma, die mich am oranienplatz als klauende ausländerin beschimpft hat) oder weil sie leute, die nicht weiß-deutsch aussehen, gar nicht erst als mögliche helfer für badeanzugentkrumpelungen in erwägung ziehen würden. gar nicht aus feindseligkeit, sondern eher, weil ihnen diese gruppe von menschen so sehr wie ein komplett anderer planet erscheint, dass sie eben gar nicht auf die idee kommen, diese planet-wesen um derlei irdische gefallen zu bitten. 

deswegen war ich im prinzenbad so erstaunt, dass sie mich vollkommen unzögerlich um hilfe bittet. und im nächsten moment war ich über mein erstaunen erstaunt, weil mir das erst gezeigt hat, wie sehr ich diese situation nicht gewohnt bin. deshalb fand ich kens uhrzeit-erlebnis so eine treffende szene, weil sich gesehenwerden eben im banalen zeigt.

Katti Jisukracism, movies, film & tv